Ulrike Strubel
Schon Aristoteles beschreibt den Menschen als ein soziales Lebewesen, dessen Bestimmung es ist, mit anderen Menschen gemeinsam Staaten zu bilden. Der Philosoph und Theologe Wilhelm Dilthey vergleicht Bildung mit «die Seele formen»; für ihn ist ein gebildeter Mensch immer auch ein Mit-Mensch. Erasmus von Rotterdam formuliert es treffend so: «Nichts ist naturgemässer als Tugend und Bildung – Ohne sie hört der Mensch auf, Mensch zu sein.»
Bei Wikipedia findet man zum Bildungsbegriff unter anderem folgendes. «Ein Merkmal von Bildung, das nahezu allen modernen Bildungstheorien entnehmbar ist, lässt sich umschreiben als das reflektierte Verhältnis zu sich, zu anderen und zur Welt.» Auch Alfred Adler war überzeugt davon, dass der Mensch als soziales Wesen gelungene Beziehungen braucht, um sich körperlich und psychisch gesund entwickeln zu können.
Bei meiner Recherche fand ich heraus, dass Bildung wohl ein typisch deutscher Begriff ist, der in Beziehung zu Erziehung und Sozialisation steht. Bildung soll dazu beitragen, den Frieden und die Demokratie zu sichern, kulturelles Wissen soll über die Generationen hinweg weitergegeben werden.
Damit Bildung gelingt – der Mensch zu einem gebildeten Menschen wird – braucht es also vor allem eine Sache: Eine gute Beziehung zu einem anderen Menschen. Daher möchte ich an dieser Stelle sieben Basics vorstellen, die für eine gute Beziehung zwischen zwei Menschen – vom Anfang bis zum Lebensende – wichtig sind.
Möchte ich mit einem anderen Menschen in Kontakt treten, füge ich inzwischen sehr bewusst meinem Hallo oder guten Tag den Namen meines Gegenübers hinzu oder erfrage ihn. Auf dem Spielplatz, im Supermarkt oder an der Tankstelle zaubere ich grossen und kleinen Menschen mit diesem Beziehungsbasic regelmässig ein verblüfftes Lächeln ins Gesicht. Den eigenen Namen zu hören ist alles andere als selbstverständlich.
Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich meinen Kindern, damals im Kindergarten- und Grundschulalter den Satz gesagt habe: «Wer meine Augen hat, der hat auch meine Ohren.» Beachtet zu werden vom Gegenüber ist eine Sehnsucht vieler Menschen, die zu mir in die Praxis kommen. Oft haben sie es als Kind schmerzlich vermisst und freuen sich über das Geschenk eines wohlwollenden Blicks.
Säuglinge und Kleinkinder brauchen in besonderem Mass den liebevollen körperlichen Kontakt, um Vertrauen in die Welt entwickeln zu können. Doch diese Sehnsucht nach Körperkontakt und Berührung bleibt lebenslang bestehen. Persönlich erlebe ich das gerade selbst bei meiner knapp 90jährigen dementen Mutter. Mit diesem Beziehungsbasic von Nähe herstellen signalisieren wir dem anderen, dass er oder sie der Mühe wert ist.
Erklärtes Ziel bei diesem Beziehungsbasic ist das Verstehen auf der Mensch-zu-Mensch-Ebene. Ich möchte teilhaben an der Gedanken- und Gefühlswelt des Anderen. Damit erleben wir beide ein Gefühl von Fürsorglichkeit, von füreinander da sein. Hier braucht es Fingerspitzengefühl, damit gestellte Fragen tatsächlich als echtes Interesse und nicht als neugieriges Ausfragen ankommen.
«Bildung soll dazu beitragen, den Frieden und die Demokratie zu sichern, kulturelles Wissen soll über die Generationen hinweg weitergegeben werden.»
Viele von uns kennen aus der Kindheit Sätze wie: «Stell dich nicht so an!» – oder: «Warum bist du nur so dumm, so aggressiv, so böse …» Mit diesen Erfahrungen fällt der Zugang zu und das Ernstnehmen von Gefühlen schwer. Mein Credo als IP-Beraterin lautet daher: «Alle Gefühle sind erlaubt! – Sie wollen und dürfen gefühlt werden!» Danach geht es darum, Strategien zu finden, wie man diese sozialverträglich ausagieren kann.
Wenn es um die Bildung von Menschen geht, dann sollte Kontaktabbruch keine Option sein. Die Vorstellung vom Wegbegleiter auf Zeit, die gedankliche Trennung von Person und Verhalten, die Theorie von Rudolf Dreikurs zu den irrtümlichen Nahzielen helfen allen, die beruflich als Pädagogen, Therapeuten oder privat als Mutter, Vater mit der Bildung von Menschenkindern zu tun haben.
Wenn wir dankbar sind, werden Glückshormone ausgeschüttet, die Stimmung hellt sich auf, Zufriedenheit und Freude stellt sich ein. Mit dem Gefühl von Dankbarkeit schaffen wir eine Verbindung zwischen uns und dem anderen. Die Beziehung vertieft und verfestigt sich. Diesen Zustand können wir bewusst herbeiführen, indem wir unsere Aufmerksamkeit auf das Positive, das Gelungene richten.
In diesem Sinne bin ich dankbar für die Anfrage von Elli von Planta, weil sie mich inspiriert hat, mich mit dem Thema Bildung bewusster als bisher auseinanderzusetzen.
David Zeindler
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